Weitere Informationen (Implantologie-Kieferkammeraufbau)
Der Kieferkammaufbau erfordert chirurgisches Geschick und Erfahrung
Für ausgedehnte Kammaufbauten und Sinus-Inlays wird meistens patienteneigener Knochen verwendet, heutzutage meist vom Beckenkamm. Doch für grössere Kieferaufbauten ist der Schädeldachknochen dem Beckenkamm deutlich überlegen. Für kleinere Kammaufbauten und Sinus-Inlays kann Eigenknochen des Patienten aus der Operationsgegend selbst, z. B. vom Jochbein, Kinn oder vom aufsteigenden Unterkieferknochen, gelegentlich vermischt mit Rinderknochen, verwendet werden.
Ein Implantat kann nur dort aufgesetzt werden, wo der Kieferkamm eine genügende Breite und Höhe aufweist. Für präimplantologische Kammaufbauten stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung: Zum Beispiel die Guided Tissue Regeneration mit speziellen Membranen, die einen Hohlraum aufrecht erhalten und verhindern, dass dieser durch Bindegewebe aufgefüllt wird. Häufig wird jedoch Knochen verwendet, der zusätzlich mit einer Membran abgeschirmt wird.
Höchste Sicherheit für die notwendige Erhaltung der Schleimhaut
Die im Oberkieferseitengebiet oft nötige Sinusbodenelevationsplastik ist eine indirekte Kammerhöhung oder Pseudokammerhöhung, da der Kamm eigentlich nicht erhöht wird, sondern in die Kieferhöhle – nach vorsichtigem Anheben der dünnen Periost- und Schleimhautschicht – Knochen oder Knochenersatzmaterialien eingebracht werden. Der Eingriff wird von Prof. Sailer meist mit einem Piezogerät, das den Knochen mit Ultraschall durchdringt, durchgeführt. Das schonende Verfahren bringt höchste Sicherheit für die notwendige Erhaltung der Schleimhaut der Kieferhöhle. Hier muss immer zwischen einer Minielevation und einer ausgedehnten Elevation unterschieden werden.
Erfolgreicher Einsatz von Knochenersatzmaterial
Bei Minielevationen und Minirekonstruktionen über ein bis zwei Zahnbreiten werden mit einer hohen Erfolgsrate gern Knochenersatzmaterialien, z. B. Rinderknochenderivate oder Koralle verwendet. Leider sind diese Knochenersatzmaterialien nicht knocheninduktiv, d. h. sie verursachen ihrerseits keine Knochenneubildung. Die Knochenersatzmaterialien sind im besten Fall knochenkonduktiv, d. h. sie werden durch einwachsenden Knochen langsam ersetzt. Und dies nur in den Abschnitten, wo die Durchblutung günstig ist, d. h. in Kammnähe und in der Nähe der Kieferhöhlenschleimhaut, während in den Zwischenabschnitten das Knochenersatzmaterial unverändert im Bindegewebe liegen bleibt.
Patienteneigener Knochen
Für ausgedehnte Kammaufbauten bei fortgeschrittener Atrophie (Cawood, Klasse IV bis VI ) muss fast immer patienteneigener Knochen verwendet werden. In den Anfängen der präprothetischen Chirurgie wurden für Kammaufbauten häufig patienteneigener (autologer) Knochen von der Rippe verwendet. Diese Methode wird heutzutage als obsolet angesehen, da die Resorption dieses Knochens rasch vorangeht. Das am häufigsten angewandte autologe Knochenmaterial ist Beckenkamm, das eine ganz andere Struktur aufweist als Kieferknochen. Sein Knochenmark resorbiert sehr rasch, die Corticalis deutlich weniger.
Knochenbildende Proteine
Die Knochenneubildung am Empfängerort hängt neben vielen anderen Faktoren auch vom Vorhandensein von knochenbildenden Proteinen (Bone Morphogenetic Proteins, BMP) ab, die sich besonders in der harten Corticalis und weniger im Knochenmark befinden. Je härter ein Knochen ist, je dicker seine Corticalis ist, um so mehr BMP enthält das Transplantat, desto geringer ist auch die Resorption des transplantierten Knochens.
Es ist bekannt, dass weicher osteoporotischer Knochen bei älteren Patienten sehr rasch resorbiert werden kann, so dass trotz Knochenaufbau keine Implantate gesetzt werden können, da der Knochen schon nach vier bis sechs Monaten zu stark resorbiert ist.
Beckenkamm mit Nachteilen
Während Rippenknochen praktisch nicht mehr für Aufbauten im Kieferbereich verwendet wird, ist die häufigste Knochenspenderzone nach wie vor der Beckenkamm. Neben den nicht präzis vorhersehbaren Knochenresorptionen weist Beckenkamm einen besonderen Nachteil auf, nämlich starke Schmerzen über einen längeren Zeitraum, und dies oft schon bei der Entnahme von wenig Knochenmaterial von etwa ein mal zwei Zentimeter.
Bei ausgedehnten Kammrekonstruktionen werden jedoch Knochengrössen von zirka sechs mal drei Zentimeter pro Kiefer benötigt, vor allem dann, wenn z. B. im Oberkiefer sowohl der Alveolarfortsatz zirkulär aufgebaut ist als auch ein Sinus-Inlay und/oder ein Nasen-Inlay gemacht werden müssen.
Beckenknochenentnahmen führen zu starken Bewegungsschmerzen, die über Wochen bis Monate anhalten können und vor allem für sportliche Patienten oder solche, die Treppen steigen müssen, ausserordentlich unangenehm sind. Abgesehen von den Schmerzen ist die Komplikationsrate an diesem Entnahmeort relativ hoch. Auf keinen Fall sollte Beckenkamm bei Patienten mit Hüft- oder Knieprothesen verwendet werden.
Vorteile des Schädeldachknochens
Dem Beckenkamm deutlich überlegen für grössere Kieferaufbauten ist der Schädeldachknochen. Dabei wird meistens nur die äussere Knochenlamelle verwendet. Die Vorteile dieses patienteneigenen Knochens sind vielfältig:
- Der Knochen ist wie der Kieferknochen sog. membranösen Ursprungs, im Gegensatz zu allen anderen Knochenmaterialien ausserhalb des Schädelbereichs, die über eine knorpelige Zwischenstufe entstehen und sich erst in den ortständigen Kieferknochen umbauen müssen.
- Schädeldachknochen ist extrem hart und besteht praktisch nur aus Corticalis, so dass er nur sehr langsam abgebaut wird. Bei einer Implantation nach vier bis sechs Monaten zeigen sich kaum Resorptionen. Bei verzögertem Setzen von Implantaten nach zehn bis zwölf Monaten ist immer noch eine Implantation möglich, was bei Beckenkammknochen nur selten der Fall ist.
- Ein weiterer grosser Vorteil besteht darin, dass die Patienten nach dem Eingriff keinerlei Schmerzen haben und sich unmittelbar nach der Operation schmerzfrei bewegen können. Dies ist von besonderer Bedeutung für ältere Patienten, die nach Beckenkammentnahme nur schwer zu mobilisieren sind und deshalb oft längere Zeit hospitalisiert bleiben. Die Narbe ist bei normalem Haarwuchs nicht sichtbar.
Nachteile des Schädeldachknochens
Der Nachteil bei der Verwendung von Schädeldachknochen besteht in einer im Haar liegenden, feinen Narbe, die bei Männern mit starkem Haarausfall sichtbar ist. Bei der Operation werden die Haare nicht entfernt; selbst das Haar im Bereich der Schnittführung, wie etwa auch beim Facelift, wird nicht entfernt.
Bei grösseren Beckenkammentnahmen entsteht hingegen praktisch immer eine breite, deutlich sichtbare Narbe und sehr häufig eine Deformierung des Beckenkammrandes, die vor allem jüngere Frauen (Bikiniträgerinnen) erheblich stört.
Aktive Knochenneubildung
Für die Erhöhung und Verbreiterung der Kiefer kann der Schädeldachknochen in mehreren Schichten übereinandergelagert werden und mit Minischräubchen aus Titan oder resorbierbaren Schrauben am Restkiefer fixiert werden. Für grosse Sinuselevationsplastiken, bei denen bis zur Hälfte der gesamten Kieferhöhle ausgefüllt wird, wird der Schädeldachknochen in Chips zerlegt.
Das Knochenfenster in der Fossa canina decken wir neuerdings mit einer Spezialmembran der dritten Generation ab, die nicht nur resorbierbar ist und sich innerhalb von einigen Minuten nach der Platzierung verfestigt, sondern gleichzeitig knocheninduktiv ist, d. h. die Knochenneubildung aktiv anregt. Dies geschieht dank N-Methyl-2-pyrrolidon (NMP).
Wie Tierversuche ergeben haben, ist die Knochenneubildung sogar jener von BMP überlegen. Dieselbe Membran verwenden wir in kritischen Belastungszonen, z. B. dort, wo zwei Knochentransplantate aneinander zu liegen kommen und möglicherweise eine Einziehung oder bindegewebiges Einspriessen erfolgen könnte. In gleicher Weise verwenden wir diese Membranen bei den Fällen, wo wir im Kinnbereich bicorticalen Knochen für kleinere Aufbauten entnommen haben und an der Entnahmestelle eine vollständige Ossifikation, z. B. im Hinblick auf ein späteres Setzen von Implantaten, in der interforaminalen Region antizipieren müssen.
Ausgewiesener Erfolg
Von den über 100 bisher durchgeführten grösseren Kammaufbauten, meistens in Kombination mit Sinus-Inlays, haben wir bei der Zweitoperation, dem Setzen dentaler Implantate, nur in einem Fall eine grössere Resorption des Schädeldachknochens gesehen. Dennoch war das Setzen von Implantaten nicht in Frage gestellt.
Schädeldachknochen kann auch dann verwendet werden, wenn eine fortgeschrittene Osteoporose des Skelettsystems besteht. Schädeldachknochen, der membranösen Ursprungs ist, scheint von Osteoporose deutlich weniger betroffen zu sein als der auf knorpeliger Grundlage entstehende Knochen des übrigen Skelettsystems.
Es ist bekannt, dass Rauchen nicht nur zur Entstehung von Wundheilungsstörungen an Haut und Schleimhäuten (Dehiszenzen) und zum Verlust von Knochentransplantaten führen kann, sondern auch zu einer niedrigeren Einheilungsrate von Zahnimplantaten.